Hass und Desinformation begegnen
Digitaler Workshop in der Synagoge in Abterode
VON KRISTIN WEBER
Abterode – „Demokratie lebt vom Engagement der Anständigen“, sagte Felix Martin, Landtagsabgeordneter der Grünen für Eschwege und Witzenhausen. Im Internet lasse der Anstand jedoch zu wünschen übrig, Hass und Hetze haben dort in den vergangenen Jahren immer mehr Raum eingenommen. Wie damit umgehen? Das fragte der Politiker mit einer digitalen Veranstaltung aus der Synagoge in Abterode heraus.
Die Synagoge stand für Felix Martin dabei als ein Ort der Hoffnung, als Zeichen, dass die von Hass genährten Verbrechen der NS-Zeit ihr Ziel nicht erreicht haben. Dr. Martin Arnold, Vorsitzender des Vereins der Freunde und Freundinnen des Jüdischen Lebens, warnte allerdings: „Der Antisemitismus ist nicht verschwunden. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 2275 antisemitische Straftaten verübt.“ Neue Verschwörungsmythen wie Q-Anon verbreiteten antisemitisches Gedankengut im neuen Gewand. Dr. Laura Sophie Dornheim, Forscherin der Gender Studies und Beraterin für Digitalstrategien, sowie Lukas Schauder, Landtagsabgeordneter der Grünen, sprachen in zwei Workshops zu den Themen „Hass im Netz“ und „Verschwörungsmythen“.
Die Zuschauer wählten sich per Video-Schalte ein, da die Vorträge gleichzeitig stattfanden, mussten sie sich entscheiden. Verschwörungsmythen, also Verschwörungstheorien, die sich bereits als unwahr herausgestellt haben, verbreiten sich zurzeit immer stärker. Wer glaubt daran? Sind Männer anfälliger, hat es etwas mit Bildung zu tun? Beide Erklärungsversuche verneinte Lukas Schauder. „Anhänger von Verschwörungsmythen haben Angst vor Kontrollverlust“, sagte der Politiker.
„Sie versuchen, Einfluss zurückzugewinnen, indem sie wissenschaftliche Erkenntnisse in Abrede stellen.“ Die Mythen lieferten einfache Antworten auf komplizierte Fragen und präsentierten vermeintlich Schuldige, gegen die man kämpfen könne. Der Protest gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie habe gezeigt, dass auch Grünen-Wähler nicht frei von diesem Phänomen seien, zum Beispiel Anhänger von alternativer Medizin.
Die meisten Anhänger von Verschwörungsmythen verortete der Politiker im rechtsextremen Spektrum. Kritik richtete Lukas Schauder auch an „die Medien“, sie müssten ihren Umgang mit Verschwörungsideologen hinterfragen. „Wenn Menschen in Talkshows eingeladen werden, die Perspektiven vertreten, die nicht auf der Basis von Fakten stehen, entsteht der Eindruck, die Meinungen stünden gleichwertig nebeneinander und man könnte sich aussuchen, woran man glauben möchte“, sagte er und kritisierte die „Aufregung als Geschäftsmodell“ einiger Medienorgane. Für viele Menschen werde es immer schwerer, zu unterscheiden zwischen gesicherten Erkenntnissen und Desinformation. Aber auch die Verwendung von Algorithmen im Internet sei ein Problem, sie bestärkten bestehende Meinungen, besonders, wenn sie mit Emotionen verbunden seien. Er warnte: „Wenn eine kritische Menge der Bevölkerung an Verschwörungsmythen glaubt, wird es demokratiegefährdend.“ Aber er gab auch eine Handlungsempfehlung:
Das Gespräch mit den Menschen suchen, die sich verunsichert zeigen, was sie glauben sollen. Am besten gemeinsam nach zuverlässigen Quellen suchen. Laura Dornheim riet in ihrem Vortrag, dass Betroffene von Hasskommentaren und Beleidigung im Internet diese nicht ignorieren, sondern zur Anzeige bringen sollten. Felix Martin sagte: „Es ist wichtig, dass Menschen spüren, dass das, was sie im Netz tun, Konsequenzen hat.“
Im Gespräch würden sich die meisten Menschen nicht derart aggressiv äußern. Er hoffte, die Teilnehmer könnten die Tipps in ihren Alltag integrieren und dass Menschen, die sich von Hass und Desinformation haben einfangen lassen, wieder zurückgeholt werden könnten.