Liebe Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens im Werra-Meißner-Kreis,
die Arbeit unseres Vereins konnte seit der letzten Mitgliederversammlung am 1. September 2021 erfolgreich fortgesetzt werden. Nach wie vor ist das Interesse am jüdischen Leben in unserer Region groß. Viele Gruppen besuchten der Lern- und Gedenkort in der Synagoge Abterode:
+ Schülerinnen und Schüler des Oberstufengymnasiums in Eschwege
+ die Frau-Holle-Schule in Abterode
+ Konfirmandengruppen aus Eschwege
+ die Fachkonferenzen Geschichte und Religion der Rhenanus-Schule Bad Sooden-Allendorf
+ die Fachkonferenzen Geschichte der Friedrich-Wilhelm-Schule und des Oberstufengymnasiums in Eschwege
+ die Lehrenden im Vorbereitungsdienst für das Lehramt
+ die Polizei Eisenach
+ eine Pilgergruppe vom Kloster Germerode
+ der Rotary-Club Eschwege
+ die drei Lions-Clubs aus Eschwege, Eschwege-Werratal und Bad Sooden-Allendorf
+ der Turngau Werra
+ der Werratal-Verein Sontra
+ eine Frauengruppe aus Fulda-Bronzell
+ der Männerkreis Hessisch-Lichtenau
+ das ganze große Team der Ev. Familienbildungsstätte Eschwege
+ eine Historiker-Runde
+ der Deutsch-Israelischen Gesellschaft
+ … und mehrere Familien und andere Kleingruppen.
Die Veranstaltungen in der Synagoge wurden gut angenommen:
+ Eine Szenische Lesung mit Dr. Dieter Vaupel (Gudensberg) und Alida Scheibli, Lesung und Klavier (Felsberg) in der Synagoge Abterode (26.01.2022)
+ Eine Passionsandacht in der Synagoge Abterode (07.04.2022)
+ Die „Lädchenfeier“ (10 Jahre Lebensmittelladen in der Synagoge) mit Öffnung des Lern- und Gedenkortes (21.05.2022)
+ Der „Tag des offenen Denkmals“ in der Synagoge Abterode (11.09.2022)
Auch Veranstaltungen an anderen Orten des Werra-Meißner-Kreises fanden großen Zuspruch:
+ das Gedenken an den Novemberpogrom 1938 in Abterode in Form eines Rundgangs (08.11.2021)
+ Öffentliche Vorstellung des Korbinan-Apfelbaums in Witzenhausen (08.05.2022)
+ Pfännervortrag in Bad Sooden-Allendorf zur Geschichte der jüdischen Unternehmerfamilie Bodenheim (23.06.2022)
+ 80-jähriges Gedenken an die Deportation 1942 in Eschwege (05.09.2022)
+ Ein Vortrag von Jakob Baier in der Anne-Frank-Schule Eschwege zum Thema „Antisemitismus in Jugendkulturen – Erscheinungsformen und Gegenstrategien (14.09.2022)
Die Arbeit des Vereins fand Anerkennung durch die Verleihung des Hessischen Denkmalschutzpreises und durch den Manfred-Schaub-Ehrenamtspreis der SPD. Angesichts der Vielzahl von Veranstaltungen ist es dringend erforderlich, dass wir noch mehr Menschen finden, die uns ehrenamtlich unterstützen. Ein erster Schritt dazu ist die Erweiterung des Vorstands, über die wir nachher beraten werden.
Die Mitgliederzahl unseres Vereins hat sich im zurückliegenden Jahr leicht erhöht. Der Verein hat jetzt 78 persönliche und 20 institutionelle Mitglieder.
Der Vorstand des Vereins – Anna Maria Zimmer, Ludger Arnold, Dr. Lutz Bergner, Friedhelm Junghans und ich – hat sich im zurückliegenden Jahr fünf Mal getroffen. Wir versuchen, die Zahl der Sitzungen gering zu halten, weil die Zeit und die Kräfte für andere Projekte benötigt werden. Der bisherige Vorstand, der bei der Gründung im Jahr 2019 gewählt wurde, stellt sich nach drei Jahren zur Wiederwahl. Er braucht aber dringend Verstärkung. Wir schlagen Ihnen dafür heute vier Persönlichkeiten vor, die den Verein schon bisher punktuell unterstützt haben: Melanie Salewski, die dem Vorstand schon angehörte, aber ihre Mitarbeit aus persönlichen Gründen unterbrechen musste, stellt sich wieder als Schriftführerin zur Verfügung. Thomas Bartscher, Arnold Baier und Bernd Helbach kandidieren zusätzlich als Beisitzer. Sie werden sich nachher selbst vorstellen.
Die Ausstattung des Lern- und Gedenkortes konnte weiter verbessert werden. Wir sind jetzt in der Lage, auch Hybridveranstaltungen durchzuführen, also mit Präsenz in der Synagoge und zugleich für die Teilnahme am heimischen Bildschirm. Durch Thomas Bartscher werden wir dabei technisch unterstützt. Angesichts der Corona-Pandemie, aber auch im Blick auf Interessierte, die weit weg wohnen und sonst den Weg nicht machen würden, eröffnet dies neue Möglichkeiten.
Die Heizung des Raumes reicht im Winter nicht aus. Der Verein „Aufwind“ – nicht nur unser Vermieter, sondern auch unser engagiertes Mitglied – wird sobald wie möglich eine neue Heizung installieren lassen. Ein Fachrestaurator hat uns eine Fußleistenheizung empfohlen, die den Raum so ausreichend erwärmen kann, dass wir dort auch im Winter Veranstaltungen durchführen können.
Der Verein ist jedoch nicht auf Abterode begrenzt. Er möchte regelmäßig im ganzen Werra-Meißner-Kreis präsent sein. Deshalb haben wir auch Veranstaltungen in Eschwege, in Witzenhausen oder – am 17. Januar, dem Holocaust-Gedenktag – in Herleshausen.
Ein besonderer Arbeitsschwerpunkt war im zurückliegenden Jahr die Frage, wie die ehemalige Synagoge in Harmuthsachsen erhalten werden kann. In jeder Vorstandssitzung haben wir darüber beraten. Leider gibt es noch keinen Durchbruch. Die Synagoge und die ehemalige jüdische Schule in Harmuthsachsen gehören nach wie vor einem privaten Eigentümer, der nichts für die Erhaltung tut und das Betreten des Grundstücks untersagt. Es ist die einzige noch erhaltene Dorfsynagoge im Werra-Meißner-Kreis, die nicht für andere Zwecke genutzt wird. Deshalb appellieren wir an alle Verantwortlichen, mit ihren Möglichkeiten zum Erhalt der Synagoge und des zugehörigen Schulgebäudes beizutragen. Wir haben wiederholt das Gespräch gesucht mit dem Werra-Meißner-Kreis, der Stadt Waldkappel (beide auch institutionelle Mitglieder in unserem Verein), dem Regierungspräsidium, dem Landesamt für Denkmalpflege und Politikerinnen und Politikern aller Parteien. Obwohl unser Anliegen viel Verständnis und Unterstützung findet, konnte bisher noch keine Lösung erzielt werden. Es geht nicht nur um den Erwerb der Synagoge, sondern auch um ihre dauerhafte Unterhaltung. Auf sich allein gestellt wäre unser Verein damit überfordert. Deshalb suchen wir weiter nach einer gemeinsamen Lösung mit Kreis und Stadt.
Zu den Aufgaben unseres Vereins gehört auch die wissenschaftliche Erforschung jüdischen Lebens im Gebiet des heutigen Werra-Meißner-Kreises. Dankenswerterweise haben wir dabei große Unterstützung durch eine ganze Reihe von Fachleuten der Regionalgeschichte und der Judaistik. Stellvertretend für viele möchte ich hier nur nennen Dr. Karl Kollmann, Hans Isenberg, Thomas Beck, Helmut Schmidt, Mathias Roeper, Dr. Antje Laumann-Kleineberg, Dr. Elisabetta Abate und Prof. Dr. Hans-Jürgen Becker. Mit ihrer Hilfe konnten unsere bisherigen Kenntnisse bedeutend erweitert werden:
+ Hans Isenberg hat die Quellen zu allen jüdischen Schulen der Region gesucht, ausgewertet und Darstellungen verfasst, die über unsere Datenbank zugänglich sind. Wenn man weiß, dass die jüdischen Lehrer in der Regel auch Vorbeter in der Synagoge, manchmal auch Schächter und Rabbiner waren, ist damit eine einzigartige Übersicht über jüdisches Leben in der Region entstanden.
+ In den USA haben wir Video-Interviews mit Holocaust-Überlebenden aus Eschwege und Abterode entdeckt, die Aufschluss darüber geben, wie Jüdinnen und Juden die Nazizeit erlebt haben. Einige berichten auch von ihren Erfahrungen, als sie nach der Nazizeit ihre Geburtsorte besuchten.
+ Das Staatsarchiv in Marburg hat Dokumente (sog. „Ortsbeschreibungen“) aus dem Jahr 1854 digital zugänglich gemacht, die eine vergleichende Betrachtung aller jüdischen Gemeinden in der Region ermöglichen. Es wäre sehr reizvoll, daraus interaktive digitale Karten zu den jüdischen Gemeinden im Gebiet des heutigen Werra-Meißner-Kreises herzustellen.
Vielleicht gelingt uns das sogar mit Hilfe eines jugendlichen „Digital-Coaches“. Die Landesstiftung „Miteinander in Hessen“ und die Freiwilligenagentur „Omnibus“ fördern das ehrenamtliche Engagement von Jugendlichen, indem diese eine kostenlose Fortbildung zum Umgang mit digitalen Werkzeugen erhalten. Bisher haben sich zwei Jugendliche für die Fortbildung angemeldet. Wir sind ja ein überwiegend digitaler Lern- und Gedenkort in Abterode, mit Datenbank, Tablets, Großbildschirm und virtuellen Brillen. Die Möglichkeiten der Digitalisierung sind noch bei weitem nicht ausgeschöpft. Die Technik macht große Fortschritte, die wir für unsere Arbeit nutzen wollen. Auch die Mitarbeit von Erwachsenen ist uns sehr willkommen.
Bei aller Offenheit für die Nutzung moderner Technik geht es doch immer wieder um Menschen und ihre Lebenswege. Schon 1988 hatte Anna Maria Zimmer eine große Zahl von Holocaust-Überlebenden zu einem Besuch nach Eschwege eingeladen. Seither kommen immer wieder jüdische Überlebende und jetzt auch ihre Kinder zu Besuch. Vor ein paar Tagen besuchte uns Edward Stein mit seiner Frau Judi. Er ist 1947 in Eschwege geboren, in dem Lager für „Displaced Persons“, und dann mit seinen Eltern in die USA ausgewandert. Eigentlich wollte er nie wieder nach Deutschland zurückkehren. Dass er es nun doch getan hat, ist ein mutiger Schritt. Er kam, weil er die Gewissheit hatte, dass wir uns ehrlich der Vergangenheit stellen und dass wir inzwischen „Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens“ geworden sind. Das ist ein großes Geschenk und eine wunderbare Erfahrung.
Ein besonderes Anliegen ist uns die Vernetzung mit anderen Akteuren. Die Unterstützung durch den Verein „Aufwind“ ist nach wie vor großartig. Wir arbeiten gut mit den Schulen und dem Staatlichen Schulamt zusammen. Wir erhalten finanzielle Projektförderungen durch die „Partnerschaft für Demokratie“ im Werra-Meißner-Kreis. Der Lern- und Gedenkort Synagoge Abterode wurde von der „Bundeszentrale für politische Bildung“ in ein Verzeichnis aller deutschen Erinnerungsorte aufgenommen. Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Kassel hat unseren Verein als Mitglied aufgenommen. Erwähnen möchte ich auch, dass die Polizeidirektion Eschwege unsere Veranstaltungen begleitet und schützt. Nur gemeinsam mit vielen anderen kann es uns gelingen, Respekt und Toleranz für jüdisches Leben zu bestärken und allen Formen des Antisemitismus entschieden entgegenzutreten.
Wir möchten den Bericht nicht zu lang ausdehnen. Selbstverständlich können Sie Rückfragen stellen, weitere Themen ansprechen oder Anregungen geben. Doch zunächst: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Über zahlreiche Besucherinnen und Besucher in der Synagoge Abterode, viele Veranstaltungen und neue Pläne konnte der Vorstand des Vereins der „Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens im Werra-Meißner-Kreis“ in seiner diesjährigen Mitgliederversammlung berichten. „Dafür brauchen wir mehr Menschen, die im Vorstand mitarbeiten“, sagte Dr. Martin Arnold, der Vorsitzende des Vereins. Der bisherige Vorstand mit Ludger Arnold, Dr. Lutz Bergner, Anna Maria Zimmer, Friedhelm Junghans und Dr. Martin Arnold wurde für die nächsten drei Jahre wiedergewählt. Darüber hinaus werden auch Melanie Salewski, Thomas Bartscher, Bernd Helbach und Arnold Baier dem neuen Vorstand angehören. Der Vorstand möchte künftig die digitalen und kulturellen Angebote des Vereins ausbauen. Auch die Erhaltung der ehemaligen Synagoge in Harmuthsachsen wird ein Schwerpunkt der Arbeit sein.
Auf dem Foto von links nach rechts: Thomas Bartscher, Arnold Baier, Dr. Martin Arnold, Ludger Arnold, Friedhelm Junghans, Melanie Salewski, Dr. Lutz Bergner und Bernd Helbach. Es fehlt Anna Maria Zimmer.
Edward Stein wurde 1947 im DP-Camp in Eschwege geboren
VON TOBIAS STÜCK
Machten sich ein Bild von Eschwege: Edward und Judith Stein mit Ludger Arnold und Martin Arnold (rechts) vom Verein Freunde und Freundinnen jüdischen Glaubens nach dem Besuch bei Bürgermeister Alexander Heppe (links). Foto: Tobias Stück
Eschwege – So richtig kann Edward Stein (75) noch nicht beschreiben, wie es sich anfühlt, wieder in Deutschland zu sein. Vor 75 Jahren hatte der Jude als Baby das Land verlassen und bislang keinen Bedarf, in das Land zurückzukehren, in dem seiner Familie so viel Leid angetan wurde. Seine Sicht der Dinge änderte sich, als Martin Arnold ihn angeschrieben hat. Der Vorsitzende des Vereins Freundinnen und Freunde jüdischen Glaubens im Werra-Meißner-Kreis forscht gerade zum DP-Camp (siehe Kasten) in Eschwege und kam so mit Edward Stein in Kontakt.
Doch der Reihe nach: Edward Stein hat eine besondere Beziehung zu Eschwege. Am 11. Februar 1947, so steht es auch in seinem Pass, wurde er in Eschwege geboren. Selbstverständlich war das nicht, denn seine Eltern kamen eigentlich aus Berlin. 13 Monate lebten sie in Eschwege im Camp für Displaced Persons (Umplatzierte Personen). „Sie warteten hier auf ihre Ausreise in die USA“, erzählt Edward Stein.
Mitten in dieser Phase des Aufbruchs wurde ihr erstes Kind Edward geboren. „Das war nicht unüblich“, hat Martin Arnold während seiner Forschungen über das Lager herausgefunden. Zur damaligen Zeit habe in dem Camp die höchste Geburtenrate weltweit geherrscht. Alle waren glücklich, den Holocaust überlebt zu haben, und feierten das Leben, erzählten Edward Steins Eltern. „Jedes jüdische Kind, das nach dem Holocaust geboren wurde, ist ein Sieg über den Nationalsozialismus“, sagt Bürgermeister Alexander Heppe, der Edward und seine Frau Judith im Rathaus am Freitag empfangen hatte. Er freute sich über das Treffen. „Wir können die Dinge nicht ungeschehen machen, sie aber mit solchen Treffen sichtbar machen.“
An Eschwege hat Stein keine Erinnerungen mehr. Als er ein halbes Jahr alt war, reisten seine Eltern mit ihm über Butzbach und Bremerhaven aus. Es gibt noch Fotos im Archiv des Großvaters, die Edward Stein auf dem Arm seiner Mutter bei der Hochzeitsfeier zeigen. Seine Erinnerungen mischen sich aus den Fotos und den Erzählungen seines Vaters zu einem Bild zusammen. Ab 1948 bauten sich die Steins ein Leben in den USA auf. Sie lebten erst in New York in Queens, später an der Lower Eastside und in Brooklyn. Stein besuchte das College in Queens, wurde Chemiker, promovierte, heiratete vor 41 Jahren seine Frau Judith und bekam mit ihr drei Kinder. Seit einem Jahr ist der 75-Jährige in Rente und widmet sich seinen Leidenschaften Musik und Geschichte.
Und genau in dieser Zeit traf die Kontaktaufnahme von Martin Arnold einen Nerv bei Edward Stein. Er unterstützte Arnold bei seinen Forschungen zum DP-Camp so gut er konnte. Und auch den Vorschlag, nach Deutschland zu kommen, konnte er jetzt annehmen. Seit einigen Tagen ist er im Land seines Vaters. Er besuchte unbekannte Verwandte in Frankfurt, erkundet eine Woche lang zusammen mit Martin Arnold Eschwege. Am Oberstufengymnasium und an der Adam-von-Trott-Schule in Sontra spricht er mit Schülern. Gestern besuchte er die Gebäude, die von dem DP-Camp übrig geblieben sind. Die nächsten Tage wird Stein in Berlin verbringen, wo Vater und Großvater gelebt haben.
Dass sich mit dem Besuch in Deutschland ein Kreis geschlossen hat, würde Edward Stein nicht sagen. „Aber ich fühle mich meiner eigenen Geschichte jetzt näher.“
Über alte und neue Erscheinungsformen des Antisemitismus informierte der Politikwissenschaftler Jakob Baier. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Prävention und Intervention im Kindes- und Jugendalter der Universität Bielefeld. Eingeladen hatten ihn die „Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens“ gemeinsam mit der Anne-Frank-Schule in Eschwege. Der Schwerpunkt von Baiers Forschungstätigkeit liegt auf dem Antisemitismus in Jugendkulturen. „Meist versteckt er sich als Ressentiment hinter bestimmten Codes und Andeutungen etwa in Liedtexten von Gangsta Rappern oder Verschwörungserzählungen, an deren Ende dann Juden als finstere Strippenzieher stehen“, so Baier. Er rief dazu auf, die politisch-historische Bildung zu verstärken, Verschwörungstheorien transparent zu machen und Jugendliche darin zu stärken, Mehrdeutigkeiten auszuhalten. Auch die kritische Medienkompetenz müsse deutlich verbessert werden. An den Vortrag schloss sich eine Diskussion an. Dr. Martin Arnold, der Vorsitzende der Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens im Werra-Meißner-Kreis, rief die anwesenden Pädagoginnen und Pädagogen dazu auf, die Impulse des Vortrags weiterzutragen in die Schulen und an andere Orte der Begegnung mit Jugendlichen.
Das Foto zeigt von links nach rechts: Dr. Martin Arnold, Anna Maria Zimmer, Jakob Baier, Victoria Harbusch und Daniela Rosenbaum
Etwa 50 Besucherinnen und Besucher nutzten den „Tag des offenen Denkmals“ zu einem Besuch in der ehemaligen Synagoge Abterode. Dort hat der Verein der Freundinnen und Freundinnen jüdischen Lebens im Jahr 2019 einen Lern- und Gedenkort für jüdisches Leben in der Region Werra-Meißner eingerichtet. Viele Gäste waren erstaunt über die noch gut erhaltene originale Ausmalung des Raumes, die eine besondere Atmosphäre vermittelt. Zum „Tag des offenen Denkmals“ wurden auch einige Fundstücke aus der „Genisa“ der Gemeinde Abterode gezeigt, die von der Zerstörungswut der Nationalsozialisten verschont blieb. Die Besucherinnen und Besucher waren auch beeindruckt von der Vielzahl der Fotografien, Videos, Audios und sonstigen Informationen über alle ehemaligen jüdischen Gemeinden im heutigen Werra-Meißner-Kreis, die dort über Tablets und einen Großbildschirm zugänglich sind. Besondere Aufmerksamkeit fanden die virtuellen Brillen, mit denen man in die ehemalige Synagoge in Eschwege eintauchen kann. Kinder freuten sich an einem Dreidel-Spiel und an leckeren Haman-Taschen, die der Verein für die Gäste gebacken hatte.
Wer mit einer kleinen oder größeren Gruppe die Synagoge besuchen möchte, kann über info@synagoge-abterode.de oder Tel. 05651-339281 einen Termin vereinbaren.
Der Verein Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens im Werra-Meißner -Kreis und die Anne-Frank-Schule laden ein zu einem Vortrag von Jakob Baier zum Thema „Antisemitismus in Jugendkulturen“. Antisemitismus kommt heutzutage nicht mehr als offener Judenhass daher. Meist versteckt er sich hinter bestimmten Codes und Andeutungen etwa in Liedtexten von Gangsta Rappern oder Verschwörungserzählungen, an deren Ende dann Juden als finstere Strippenzieher stehen. Im Mittelpunkt des Vortrags stehen Informationen zu modernen Formen des Antisemitismus und wie sich dies in den sozialen Medien zeigt, in denen sich Jugendliche heutzutage bewegen.
Der Politikwissenschaftler Jakob Baier von der Universität Bielefeld beobachtet seit Jahren solche Äußerungen in sozialen Medien (Facebook, Twitter, Instagram, TikTok). Hierbei beschäftigt er sich besonders mit bei Jugendlichen populären Musikgenres wie Gangsta-Rap und den Äußerungen der beteiligten Künstler.
Jakob Baier war Schüler der Anne-Frank-Schule und des Oberstufengymnasiums.
Im Rahmen ihres diesjährigen Dienstausfluges besuchte das Team der Evangelischen Familienbildungsstätte den Lern- und Gedenkort in der ehemaligen Synagoge Abterode. Dr. Martin Arnold informierte über die Geschiche jüdischen Lebens in Abterode und im Werra-Meißner-Kreis. Unter anderem erinnerte er daran, dass das Gebäude in Eschwege, in dem heute die Familienbildungsstätte untergebracht ist, von dem jüdischen Arzt Dr. Moritz Stern errichtet wurde. Im Jahr 1933 wurde das Haus von der SA-Standarte Köhler besetzt. Dr. Carl Stern, der Sohn von Moritz Stern, floh nach Hamburg und beging dort 1935 Suizid. Gudrun Lang, die Leiterin der Familienbildungsstätte, dankte für eine interessante Führung.
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