„Den Juden einen Denkzettel verpassen“ – Gedenken an den Pogrom 1938 in Herleshausen

Die NSDAP-Ortsgruppe Herleshausen wollte am 9. November 1938 den Juden einen „Denkzettel“ verpassen. Die SA, die gewöhnlich in „Braunhemden“ auftrat, vertauschte ihre Kleidung in Zivil, um den Eindruck einer spontanen Demonstration zu erwecken. Man besorgte sich Brecheisen und Beile, warf in zahlreichen jüdischen Wohnungen und Geschäften die Fenster ein und demolierte anschließend die Synagoge. Dort wurden die Scheiben eingeworfen, im Inneren die Bänke zerstört, Brüstungen abgerissen und Kronleuchter heruntergeworfen. Die Torarollen wurden aus dem Schrein geholt, die Gebetbücher auf die Straße geworfen. Die jüdischen Männer des Ortes wurden am nächsten Tag in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert.

Helmut Schmidt, der Vorsitzende des Arbeitskreises „Stolpersteine“ im Werratalverein Südringgau, hatte gemeinsam mit der Südringgauschule Herleshausen eingeladen, um an diesen Pogrom zu erinnern. Trotz nasskalten Wetters waren viele gekommen, um an der Gedenkveranstaltung teilzunehmen. Ein besonderer Gast war der 95-jährige Hans Rimbach. Er saß neben Isaak Carlebach, dem Sohn des letzten Vorbeters der Herleshäuser Synagoge, auf der Schulbank. „Isi“, so Hans Rimbach, war ein Außenseiter in der Schule. Schon lange vor dem Pogrom wurde er von anderen Kindern ausgegrenzt und misshandelt. „Er ließ sich alles gefallen“, so Rimbach. „Eines Tages war er weg“, weil er als jüdischer Junge die Schule nicht mehr besuchen durfte. Den Kindern der Südringgauschule, die an der Gedenkveranstaltung teilnahmen, dürfte besonders diese Erfahrung sehr nahe gegangen sein.

Thomas Beck hat recherchiert, was aus Isaak Carlebach geworden ist. Seinen Eltern Joseph und Rebekka Carlebach, die selbst im Konzentrationslager Auschwitz umgebracht wurden, gelang es zuvor, ihren Sohn nach Frankfurt zu bringen. Von dort gelang ihm im April 1939 mit einem „Kindertransport“ die Flucht nach Palästina. Dort lebte er in einem jüdischem Kibbuz im Gebiet des heutigen Gaza-Streifens. Er wurde Soldat und kam im Palästinakrieg 1948, als ägyptische Truppen Israel überfielen, ums Leben.