Das ging unter die Haut
Die Volksbühne Bad Emstal zeigte in einer szenischen Lesung in der Klosterkirche Germerode Kressmann Taylors Briefroman „Empfänger unbekannt“. Das Werk handelt vom Ende einer Freundschaft zweier deutsch-amerikanischer Geschäftsleute zu Beginn der Nazizeit. Während der Jude Max Eisenstein in den USA die Machtergreifung Adolf Hitlers mit Sorge betrachtet, macht sein Freund Martin Schulze Karriere in der NSDAP. Als Schulze die Bitte von Eisenstein, seiner Schwester Gisela in Berlin beizustehen, ablehnt und Gisela von der SA ermordet wird, schreibt Max Briefe nach Deutschland. Max geht davon aus, dass die Briefe von der Gestapo geöffnet werden und verwendet deshalb darin vermeintliche Geheimcodes und Andeutungen, die Martin Schulze dem Nazi-Regime verdächtig machen. Am Ende kommt der letzte Brief, den Max an Martin Schulze im Frühjahr 1934 geschrieben hat, mit dem Vermerk zurück: „Empfänger unbekannt“. So kann man vermuten, dass Schulze als vermeintlicher Feind der NS-Herrschaft in Haft genommen wurde. Sehr dicht, einfühlsam auf der Gitarre begleitet von Fabian Hörl und beklemmend aktuell. Die Volksbühne Bad Emstal wies darauf hin, dass der AfD-Politiker Björn Höcke an den Nationalsozialismus anknüpft. Es war kalt in der Klosterkirche, nicht nur wegen des Wetters.