Aktuelles

  1. Erinnern – um die Wiederholung zu verhindern

    Gemeinsam erinnerten der „Verein der Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens im Werra-Meißner-Kreis“, die Evangelische Kirchengemeinde Sontra, die Stadt Sontra und die Adam-von- Trott-Schule Sontra am Abend des 7. November an die Gewalt und den Terror, denen vor genau 85 Jahren Jüdinnen und Juden in Sontra ausgesetzt waren.

    Bei einem Gang zu Orten jüdischen Lebens erinnerten fünf Konfirmandinnen und Konfirmanden der Evangelischen Kirchengemeinde mit kurzen Texten an das ehemals reichhaltige jüdische Leben und das Schicksal der Menschen. Von der Adam-von-Trott-Schule, von deren Eingang man auf den „alten“ und den „neuen jüdischen Friedhof“ sehen kann, zur letzten jüdischen Schule in der Schulstraße, zu den Stolpersteinen für die jüdische Familie Plaut in der Niederstadt, zum Standort einer Mikwe an der Niederstadt 1ging es bis zum Marktplatz. Auf ihm wurden nach der Pogromnacht die jüdischen Männer zusammengetrieben, gedemütigt und anschließend in das Konzentrationslager nach Buchenwald deportiert.

    Ludger Arnold begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor der Schule und bedankt sich für die Beteiligung an dem gemeinsamen Gedenken. Er erinnerte dabei auch an die Tradition dieser Veranstaltung, denn bereits vor zehn Jahren gab es ein solches Gedenken. Im Jahre 2015 folgte die erste Stolpersteinverlegung und 2018 ein Erinnerungsgang durch Diemerode. Das Gedenken hat im Schulleben der Adam-von-Trott-Schule einen festen Platz. In diesem Jahr werde aber durch die aktuellen Kriegsereignisse noch viel deutlicher, dass diese Erinnerungen eine Mahnung sind, einen erstarkenden Antisemitismus zu verhindern. Dass das Schweigen und Wegsehen der Vielen Gewalt und Terror erst möglich machen, erläuterte in seiner Rede der Sontraer Bürgermeister Thomas Eckhardt. Er forderte eindringlich dazu auf, die Grundlage unseres demokratischen Gemeinwesens zu schützen und sich gemeinsam gegen alle Ausgrenzungen, Gewaltverherrlichungen und jeden Antisemitismus zu wenden.

    Bei der Ankunft im Evangelischen Gemeindehaus konnten sich die Teilnehmenden zunächst stärken, bevor die beiden Oberstufenschülerinnen Hannah-Sophie Boschen und Amy Siegel aus einem Augenzeugenbericht von Julius Katz lasen. Julius Katz wurde 1911 in Sontra geboren, war Kaufmann und letzter Gemeindevorsteher der jüdischen Gemeinde. Er erlebte die Reichspogromnacht in Sontra und wurde auch nach Buchenwald deportiert, konnte aber nach seiner Entlassung mit seiner Schwester und Mutter Deutschland noch verlassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte er in Frankfurt und gab 1982 einem jungen Lehrer einen ausführlichen Bericht. Ausführlich erzählt er darin von den Gewaltausbrüchen in der Pogromnacht, den Steinwürfen durch die Fenster der jüdischen Mitbürger und ihrer Todesangst. Die Eindrücke und Erlebnisse, die er aus Buchenwald schilderte, machten einen tiefen und bedrückenden Eindruck auf alle Anwesenden.

    Pfarrerin Doris Weiland rief in einem Schlusswort dazu auf, diese Geschehnisse nicht zu vergessen und sich weiter gemeinsam für Menschlichkeit und Toleranz einzusetzen. Zum Abschluss wurde ein Blumengesteck an der Erinnerungstafel gegenüber der ehemaligen Synagoge aufgestellt.

  2. Viele Gäste aus Kassel besuchten Synagoge Abterode

    Start mit einer Kaffeetafel

    Mitglieder der jüdischen Gemeinde Kassel, der Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit und des Evangelischen Forums besuchten die ehemalige Synagoge in Abterode. Martin Arnold, der Vorsitzende des Vereins der Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens, und Friedhelm Junghans, Bürgermeister der Gemeinde Meißner, begrüßten die Gäste zunächst zu einer Tasse Kaffee im Evangelischen Gemeindehaus. Anschließend informierte der Vorstand des Vereins die Gäste in der Synagoge über viele Aspekte jüdischen Lebens im Gebiet des heutigen Werra-Meißner-Kreises. Martin Arnold berichtete von der jahrhundertelangen Geschichte der jüdischen Gemeinde Abterode und der 13 anderen jüdischen Gemeinden in der Region. Annamaria Zimmer erzählte vom Besuch der Holocaust-Überlebenden in Eschwege im Jahr 1989 und von der Entstehung einer Gedenkkultur. Melanie Salewski und Ludger Arnold berichteten über die Bildungsarbeit des Vereins in Zusammenarbeit mit den Schulen. Über Tablets, virtuelle Brillen und andere digitale Mittel, die der Verein nutzt, informierte Thomas Bartscher. Und schließlich berichtete Bernd Helbach über die Bemühungen des Vereins zur Rettung der ehemaligen Synagoge in Harmuthsachsen. Die Gäste aus Kassel zeigten sich beeindruckt von der Arbeit des Vereins. „Kann ich noch mal wiederkommen“, fragte eine Besucherin, „die Datenbank möchte ich mir noch einmal in Ruhe anschauen.“ Gäste sind jederzeit willkommen in Abterode. Termine für Führungen können über info@synagoge-abterode.de oder telefonisch über 05651-339281 verabredet werden.

    Gruppenfoto mit den Gästen

    Vorstandsmitglieder im Gespräch mit Gästen

    Melanie Salewski und Ludger Arnold mit Prof. Dr. Dietfried Krause-Vilmar

    Martin Arnold erläutert den Gebrauch der virtuellen Brille

  3. Keine Gewöhnung an Antisemitismus

    Von links nach rechts: Andreas Hilmes, Arnold Baier, Dr. Martin Arnold, Uwe Becker, Ludger Arnold und Karsten Vollmar

    Der brutale Überfall der Hamas auf unschuldige Zivilisten in Israel am 7. Oktober hat unter Jüdinnen und Juden viele alte Ängste wieder aufleben lassen. „An keinem anderen Tag seit dem Holocaust wurden so viele Jüdinnen und Juden Opfer eines solchen Hasses“, sagte Uwe Becker, der Beauftragte des Landes Hessen für jüdisches Leben und für den Kampf gegen Antisemitismus. Er rief zur Solidarität mit Israel auf und mit Juden in aller Welt. Verantwortlich für den Terror seien nicht Muslime oder Palästinenser insgesamt, sondern die Hamas, die dazu aufgerufen habe, jüdische Einrichtungen weltweit anzugreifen und den Staat Israel zu vernichten. Auch in Deutschland sei der Antisemitismus nach wie vor verbreitet. Er beklagte zudem ein großes Unwissen über jüdisches Leben.

    „Was können wir tun gegen Antisemitismus?“ Etwa 60 Personen waren der Einladung der Johannisberg-Schule Witzenhausen und des Vereins der Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens im Werra-Meißner-Kreis zu einem Podiumsgespräch gefolgt, darunter zahlreiche Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte. Andreas Hilmes, der Schulleiter der Johannisberg-Schule, beklagte, dass am Morgen des Tages der Eingangsbereich der Schule mit SS-Runen beschmiert worden sei. „Wir lassen uns davon aber nicht einschüchtern, die Schmierereien wurden sofort beseitigt.“ In den Schulen gebe es inzwischen viele Migranten aus Ländern, in denen der Antisemitismus eine Art ‚Staatsräson‘ sei. „Wir brauchen starke, selbstbewusste Kinder“, so Hilmes, „das hilft auch gegen Antisemitismus.“ Karsten Vollmar vom Staatlichen Schulamt in Bebra forderte die Schulen auf, bei jedem Vorfall zu reagieren. Man dürfe nichts unter den Tisch kehren. Er sicherte für die Bearbeitung die Unterstützung des Schulamtes zu. Zugleich lobte er die Beteiligung der Schulen an Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Nationalsozialismus. Arnold Baier von den Freundinnen und Freunden jüdischen Lebens rief dazu auf, das Thema stärker in den Unterricht aufzunehmen. Dabei gelte es, auch heutiges jüdische Leben in den Blick zu nehmen. Auch müsse besser über die Geschichte des Nahostkonfliktes informiert werden. Ludger Arnold, der das Podiumsgespräch moderierte, verlas auch ein Grußwort von Landrätin Nicole Rathgeber. Sie dankte den Veranstaltern für die Durchführung der Veranstaltung: „Ich möchte Sie alle herzlich darum bitten, lassen Sie uns gemeinsam gegen diejenigen stellen und argumentieren, die Hass und Gewalt säen wollen. Sie dürfen und werden sich nicht durchsetzen, wenn wir alle zusammenstehen.“

    Das Podiumsgespräch

    Staatssekretär Uwe Becker

    Dr. Martin Arnold, der Vorsitzende der Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens, lud dazu ein, die Arbeit des Vereins weiter zu unterstützen: „Wir brauchen gute Bildung, um den Antisemitismus zu durchschauen. Wir erinnern an die Opfer des Antisemitismus, vor allem aus unserer Region. Und wir ermöglichen Begegnungen mit jüdischem Leben, damit Respekt und Toleranz wachsen.“

  4. Laubhüttenfest in Eschwege? Laubhüttenfest in Eschwege!

    Lisa Eyser (links) und Evelina Tolpina

    In Eschwege gibt es keine jüdische Gemeinde. Und doch wurde dort jetzt das jüdische Laubhüttenfest („Sukkot“) gefeiert. Es erinnert an den Auszug aus Ägypten, als das Volk Israel in der Wüste in Laubhütten übernachtete. Eingeladen hat der Verein „Interkulturelles Miteinander im Werra-Meißner-Kreis“. Und viele kamen in das Evangelische Gemeindehaus der Auferstehungskirche, das zurzeit dem Sozialen Stadtteilladen als Ausweichquartier dient. Unter den Festgästen waren Flüchtlinge aus der Ukraine mit jüdischen Wurzeln, aber auch Angehörige anderer Religionen und Freiwillige in der Flüchtlingsarbeit. Zu Beginn gedachte die Festgemeinde mit einer Schweigeminute an die Opfer des Krieges in Israel und im Gazastreifen und sang das Lied „Hewenu Shalom alechem“ (Wir wünschen Frieden euch allen). Die Festgäste waren eingeladen, Challa-Brot mit Honig zu probieren und viele andere Speisen zu probieren, die traditionell zum Laubhüttenfest gehören. Vor dem Gemeindehaus war eine Laubhütte („Sukka“) aufgebaut, in der Kinder spielten. „Es ist wirklich ein schönes „interkulturelles Miteinander“, sagte Evelina Tolpina vom gleichnamigen Verein. Und Lisa Eyser vom „Sozialen Stadtteilladen“ ergänzte: „Auch so können wir den Ängsten, die der Krieg auslöst, etwas Positives entgegensetzen.“

  5. Der lange Weg zur Gleichberechtigung

    „Unsere Untertanen, welche der mosaischen Religion zugetan sind, sollen in unseren Staaten dieselben Rechte und Freiheiten genießen wie unsere übrigen Untertanen“: Mit dieser Verordnung von Jerome Bonaparte, des Königs von Westfalen mit Sitz in Kassel, begann für Jüdinnen und Juden im Jahr 1808 das Zeitalter der Emanzipation. Doch es sollte noch viele Jahrzehnte dauern, die mit Rückschlägen verbunden waren, bis die Gleichberechtigung auch wirklich vollzogen war. Mia Balk, die sich an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf mit „Jüdischen Studien“ beschäftigte, hat nachgezeichnet, wie sich dieser Prozess in Eschwege vollzog. Sie stellte dabei das Jahr 1857 in den Mittelpunkt, in dem die Jüdische Gemeinde in Eschwege etwa 5% der Bevölkerung umfasste, weit mehr als im übrigen Deutschland. Die Gemeinde konnte eine neue repräsentative Synagoge errichten, eine neue öffentliche Schule eröffnen und einen eigenen Friedhof in Gebrauch nehmen. In eigenen Wohltätigkeitsvereinen, Bestattungsvereinen, einer Casino-Gesellschaft und einer jüdischen Loge entfaltete sie ein reiches soziales Leben. Viele Gemeindeglieder erlangten Wohlstand und Ansehen in der Stadt. Es gab jedoch auch interne Diskussionen über die Verortung der Gemeinde zwischen Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft und Treue zur traditionellen jüdischen Lebensweise. Es war kaum vorstellbar, dass dieser Emanzipationsprozess im Jahr 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ein jähes Ende nehmen würde.

    Dr. Karl Kollmann, der Vorsitzende der Historischen Gesellschaft des Werralandes, konnte zu dem Vortrag von Mia Balk in der Aula der Volkshochschule viele Zuhörerinnen und Zuhörer begrüßen. Er dankte Mia Balk für ihren wissenschaftlichen Vortrag und nutzte die Gelegenheit, um auch eine Stellungnahme der „Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens im Werra-Kreis“ zum Angriff der Hamas auf Israel vorzulesen. Darin heißt es: „Wir werden nach wie vor alles in unserer Macht Stehende tun, in Deutschland und vor allem in unserer Region das Gedenken an die Shoah aufrechtzuerhalten, den Schwachen und Angegriffenen auch bei uns beizustehen – und Antisemitismus ebenso wie antimuslimischen Rassismus und jede andere Form von Rassismus und Gewalt entschieden zu bekämpfen.“

  6. Stellungnahme zum Angriff der Hamas auf Israel

    Die Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens im Werra-Meißner-Kreis unterstützen die Stellungnahme des Vereins „Judaica in Meimbressen e.V.“ zum Angriff der Hamas auf Israel:

    Zum wiederholten Male werden die Menschen in Israel an einem jüdischen Feiertag von Raketen und Terror heimgesucht. Zum wiederholten Male müssen sie fürchten, dass ihnen der weltweit einzige halbwegs sichere Ort zum Leben unter den Füßen weggezogen wird. Jüdinnen und Juden werden seit Jahrtausenden in jedem denkbaren Winkel der Erde verfolgt und umgebracht. Unser Herz blutet, wenn wir feststellen müssen, dass sie selbst in Israel keine Ruhe finden. Aus dem feigen Angriff der Hamas auf israelische Zivilisten, aus den Entführungen und Bloßstellungen der Opfer blickt uns ein unmaskierter Antisemitismus an – ein Fanatismus, den Staat Israel und alle Jüdinnen und Juden vernichten zu wollen.

    Wir verurteilen diesen Angriff auf das Schärfste und solidarisieren uns mit den Menschen in Israel und den Jüdinnen und Juden in aller Welt – aber auch mit allen Palästinenserinnen und Palästinensern, die unter der Terrorherrschaft der Hamas leiden. Wir verurteilen zugleich die hämische Reaktion des iranischen Regimes auf die Angriffe. Unsere Solidarität gilt ebenso den mutigen Iranerinnen und Iranern, die ihr eigenes Unterdrücker-Regime bekämpfen und in Israel keinen Feind sehen. Den Friedensnobelpreis an die inhaftierte iranische Freiheitskämpferin Narges Mohammadi begrüßen wir ausdrücklich.

    Unsere Gedanken und Gebete sind bei allen – in Israel, in Palästina, im Iran, in der Ukraine und anderswo –, die in diesen Tagen um ihre Freiheit und ihr Leben fürchten und kämpfen müssen. Wir werden nach wie vor alles in unserer Macht stehende tun, in Deutschland und vor allem in unserer Region das Gedenken an die Shoah aufrechtzuerhalten, den Schwachen und Angegriffenen auch bei uns beizustehen – und Antisemitismus ebenso wie antimuslimischen Rassismus und jede andere Form von Rassismus und Gewalt entschieden zu bekämpfen.

    ***

    Statement of the association „Judaica in Meimbressen e.V.“ on the attack of Hamas on Israel

    Once again, the people of Israel are hit by rockets and terror on a Jewish holiday. Once again they have to fear that the only halfway safe place to live in the world is being pulled out from under their feet. Jews have been persecuted and killed for millennia in every conceivable corner of the globe. Our hearts bleed when we realize that they find no peace even in Israel. From the cowardly attack of Hamas on Israeli civilians, from the kidnappings and exposures of the victims, an unmasked anti-Semitism looks at us – a fanaticism to want to destroy the state of Israel and all Jews.

    We condemn this attack in the strongest possible terms and show our solidarity with the people of Israel and the Jews all over the world – but also with all Palestinians who suffer under Hamas‘ reign of terror. At the same time, we condemn the Iranian regime’s gloating reaction to the attacks. Our solidarity is also with the courageous Iranians who are fighting their own oppressive regime and do not see Israel as an enemy. We expressly welcome the Nobel Peace Prize awarded to the imprisoned Iranian freedom fighter Narges Mohammadi.

    Our thoughts and prayers are with all – in Israel, in Palestine, in Iran, in Ukraine and elsewhere – who must fear and fight for their freedom and their lives these days. We will continue to do everything in our power to uphold the memory of the Shoah in Germany and especially in our region, to stand by the weak and the attacked in our country as well – and to resolutely fight anti-Semitism as well as anti-Muslim racism and every other form of racism and violence.

  7. „Zur Heimat erkor ich mir die Liebe“. Ein musikalisch-literarischer Abend zu Mascha Kaléko

    Mascha Kaléko

    Mascha Kaléko war die meistverkaufte deutsche Lyrikerin des 20. Jahrhunderts. Ihre Verse handeln von Liebe, Abschied und Einsamkeit, von Sehnsucht und von Traurigkeit. In ihrem Schicksal spiegelt sich die Geschichte des 20. Jahrhunderts in besonderem Maße. Geboren als Kind jüdischer Eltern in Galizien, kam sie zu Beginn des Ersten Weltkrieges nach Deutschland. Sie war „angesagt“ im Berlin der Zwanziger- und Dreißigerjahre. Doch als die Nationalsozialisten herausfanden, dass sie Jüdin war, wurde sie aus der „Reichsschrifttumskammer“ ausgeschlossen. Damit verlor sie alle Publikationsmöglichkeiten. Sie emigrierte in die USA, doch ihre Heimat blieb immer Europa und die deutsche Sprache. Heimat und Zuflucht fand sie in der Beziehung zu ihrem Mann, dem jüdischen Musikwissenschaftler Chemjo Vinaver, ebenso in der intensiven Beziehung zu ihrem Sohn, eben „in der Liebe“.

    Von links nach rechts: Dr. Daniel Bormuth, Alma-Magdalena Staemmler, Elsa-Johanna Staemmler, Hanna-Maria Bormuth und Dorothee Scharf

    Dr. Daniel Bormuth zeichnete die Stationen ihres Lebens nach. Mascha Kaléko kam auch selbst zu Wort. Ihre Gedichte rezitierte Dorothee Scharf. Musik der jüdischen Komponisten Gideon Klein und Ernst Toch sowie des Schönberg-Schülers Viktor Ullmann ergänzte die Lyrik in idealer Weise. Sie wurde vorgetragen von den drei jungen Musikerinnen Elsa-Johanna Staemmler (Geige, Klavier), Alma-Magdalena Staemmler (Cello) und Hanna-Maria Bormuth (Bratsche). Das zahlreiche Publikum in der Evangelischen Marienkirche in Bad Sooden-Allendorf war begeistert und dankte den Mitwirkenden mit einem lang anhaltenden Applaus.

  8. Abschied am Bahnhof Berlin

    Ingrid Löwenstein (* 1929 in Eschwege)

    Es muss ein schwerer Abschied gewesen sein. Paula und Willy Löwenstein setzten im Jahr 1939 ihre neunjährige Tochter Ingrid in einen Zug, der sie über Berlin nach Stockholm bringen sollte. Damit retteten sie ihr das Leben. Sie selbst wurden im Jahr 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und 1944 in Auschwitz ermordet.

    Susan Cantos, die Tochter von Ingrid Löwenstein, erzählte nun sehr einfühlsam die Geschichte ihrer jüdischen Familie. Ihre Mutter Ingrid gelangte mit einem sogenannten „Kindertransport“ nach Schweden. Melanie Salewski erläuterte, dass etwa 10.000 jüdische Kinder auf diese Weise gerettet werden konnten. Doch die Trennung von den Eltern war oft endgültig und mit einem Trauma verbunden.

    Ingrid Löwenstein gelangte über Schweden in die USA. Sie heiratete und hatte dort ein gutes Leben. Ihre Lebensgeschichte erzählt sie selbst in einem Zeitzeugenvideo, das in der Veranstaltung in Abterode in Ausschnitten gezeigt wurde. Auch zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den USA waren online der Veranstaltung zugeschaltet, in der auch Luca Siepmann (Oxford) als Übersetzer mitwirkte.

    Mit dem Abend in Abterode endete der fünftägige Besuch von Susan Cantos in Eschwege. Sie dankte den Freundinnen und Freunden jüdischen Lebens für die Gastfreundschaft und Unterstützung bei der Suche nach den Spuren ihrer Vorfahren. „Dass nach den schrecklichen Geschehnissen in der Nazi-Zeit uns heute Jüdinnen und Juden besuchen, ist ein großes Glück und berührt mich sehr“, sagte Dr. Martin Arnold, der Vorsitzende des Vereins.

    Das Zeitzeugen-Interview mit Ingrid Löwenstein ist im Lern- und Gedenkort Synagoge Abterode zugänglich. Ein Besuch kann über info@synagoge-abterode.de vereinbart werden.

  9. Eine besondere Geschichtsstunde am Oberstufengymnasium Eschwege

    Susan Cantos ist die Tochter von Ingrid Löwenstein, die im Jahr 1939 als Neunjährige mit einem „Kindertransport“ nach Schweden in Sicherheit gebracht werden konnte. Ingrid überlebte durch die Trennung von ihren Eltern den Holocaust, nicht jedoch ihre Eltern. Willy und Paula Löwenstein wurden nach Theresienstadt deportiert und im Jahr 1944 in Auschwitz ermordet. Susan Cantos erzählte den Schülerinnen und Schülern der 13. Jahrgangsstufe von ihrer Familiengeschichte. Sie ist selbst Lehrerin und spürt in sich die pädagogische Begabung ihrer Großmutter Paula, die in Eschwege einen Kindergarten leitete. „Beim Besuch der Eschweger Synagoge konnte ich meine Familie fühlen“, sagte sie den Schülerinnen und Schülern mit erkennbarer Emotionalität. Ihr Urgroßvater Levi Bacharach war Kantor in der Eschweger Synagoge gewesen. „Wir alle sind nicht für den Holocaust verantwortlich“, sagte sie, „aber wir haben alle eine Verantwortung für die Zukunft, dass es nie wieder geschieht.“

    Susan Cantos (Mitte) mit (von links nach rechts): Annamaria Zimmer, Schulleiterin Marion Lenz, Dr. Martin Arnold und Melanie Salewski

    Susan Cantos erläutert mit Hilfe von Fotografien, was in der Pogromnacht 1938 in der Eschweger Synagoge geschah

    Susan Cantos gewann sehr schnell die Sympathien der Schülerinnen und Schüler

    Mit Sorge erfüllt sie die politische Entwicklung in den USA. Dort sei nicht nur die Demokratie in Gefahr. Viele Jüdinnen und Juden seien auch besorgt über den zunehmenden Antisemitismus in den USA. Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich berührt von dem sehr persönlichen und emotionalen Auftritt des amerikanischen Gastes.

  10. Danke an Jonathan Panke und Simon Exner

    Heute erhielten Jonathan Panke (links) und Simon Exner die Abschlusszertifikate für ihr „Freiwilliges Soziales Schuljahr“ bei den Freundinnen und Freunden jüdischen Lebens im Werra-Meißner-Kreis. Ein Schuljahr lang machten sie sich mit digitalen „tools“ vertraut. Damit konnten sie Zeitzeugeninterviews mit Überlebenden des Holocaust bearbeiten und öffentlich vorstellen sowie Hybridkonferenzen technisch organisieren. Ihr Coach dabei war Thomas Bartscher. Nun überreichte ihnen Landrätin Nicole Rathgeber als Anerkennung ein Zertifikat und die stellvertretende Dekanin des Evangelischen Kirchenkreises Werra-Meißner Katrin Klöpfel eine Rose.

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