„Niemand hat Mitleid mit dem Judengesindel.“

Das sagte eine Frau, die im Jahr 1938 in unmittelbarer Nachbarschaft zur Witzenhäuser Synagoge lebte und den Pogrom miterlebte. Die Aussage dürfte typisch sein für viele, die an den Pogromen gegen Juden entweder mitwirkten oder ihnen gleichgültig gegenüberstanden.

Über den Pogrom gegen Jüdinnen und Juden in Witzenhausen am 8. und 9. November 1938 gibt es mehrere Augenzeugenberichte und viele weitere amtliche Unterlagen. Auszüge aus diesen Quellen wurden bei einem Rundgang verlesen, zu dem der Verein der Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens im Werra-Meißner-Kreis eingeladen hatte. Etwa 150 Menschen nahmen an der Gedenkveranstaltung teil.

Laura Wallmann und Martin Arnold vom Verein der Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens informierten über den antisemitischen Kontext, in dem die Pogrome standen. Schülerinnen und Schüler der Johannisbergschule in Witzenhausen lasen Berichte von Personen, die die Pogrome als Augenzeugen miterlebt haben. Winfried Wolf und Patrizia Noll setzen mit sorgfältig ausgewählten musikalischen Beiträgen einen besonderen Akzent.

Was folgt aus dem Gedenken und der Erinnerung an die Geschehnisse 1938? „Heute dürfen wir nicht schweigen“, so Martin Arnold. „Weil Rechtsextremismus, Rassismus und damit Hass gegen Jüdinnen und Juden immer wieder neu aufflammen. Ob in Anschlägen auf Synagogen, bei physischer Gewalt gegen Menschen, die sich durch ihre Kleidung als Juden zu erkennen geben, oder durch antisemitische Propaganda auf der „documenta fifteen“. Alle sind verantwortlich, konsequent dagegen anzukämpfen. Jede und jeder ist gefragt, sei es im Alltag, in der Schule, am Arbeitsplatz, im Sportverein, oder in den sozialen Medien. Es ist notwendiger denn je, seine Stimme zu erheben, wo immer sich Hass äußert, egal ob gegen Jüdinnen und Juden, Christinnen und Christen oder Muslime, ob wegen Herkunft, Obdachlosigkeit oder sexueller Orientierung, aus welchem Grund auch immer.“