Der lange Weg zur Gleichberechtigung

„Unsere Untertanen, welche der mosaischen Religion zugetan sind, sollen in unseren Staaten dieselben Rechte und Freiheiten genießen wie unsere übrigen Untertanen“: Mit dieser Verordnung von Jerome Bonaparte, des Königs von Westfalen mit Sitz in Kassel, begann für Jüdinnen und Juden im Jahr 1808 das Zeitalter der Emanzipation. Doch es sollte noch viele Jahrzehnte dauern, die mit Rückschlägen verbunden waren, bis die Gleichberechtigung auch wirklich vollzogen war. Mia Balk, die sich an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf mit „Jüdischen Studien“ beschäftigte, hat nachgezeichnet, wie sich dieser Prozess in Eschwege vollzog. Sie stellte dabei das Jahr 1857 in den Mittelpunkt, in dem die Jüdische Gemeinde in Eschwege etwa 5% der Bevölkerung umfasste, weit mehr als im übrigen Deutschland. Die Gemeinde konnte eine neue repräsentative Synagoge errichten, eine neue öffentliche Schule eröffnen und einen eigenen Friedhof in Gebrauch nehmen. In eigenen Wohltätigkeitsvereinen, Bestattungsvereinen, einer Casino-Gesellschaft und einer jüdischen Loge entfaltete sie ein reiches soziales Leben. Viele Gemeindeglieder erlangten Wohlstand und Ansehen in der Stadt. Es gab jedoch auch interne Diskussionen über die Verortung der Gemeinde zwischen Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft und Treue zur traditionellen jüdischen Lebensweise. Es war kaum vorstellbar, dass dieser Emanzipationsprozess im Jahr 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ein jähes Ende nehmen würde.

Dr. Karl Kollmann, der Vorsitzende der Historischen Gesellschaft des Werralandes, konnte zu dem Vortrag von Mia Balk in der Aula der Volkshochschule viele Zuhörerinnen und Zuhörer begrüßen. Er dankte Mia Balk für ihren wissenschaftlichen Vortrag und nutzte die Gelegenheit, um auch eine Stellungnahme der „Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens im Werra-Kreis“ zum Angriff der Hamas auf Israel vorzulesen. Darin heißt es: „Wir werden nach wie vor alles in unserer Macht Stehende tun, in Deutschland und vor allem in unserer Region das Gedenken an die Shoah aufrechtzuerhalten, den Schwachen und Angegriffenen auch bei uns beizustehen – und Antisemitismus ebenso wie antimuslimischen Rassismus und jede andere Form von Rassismus und Gewalt entschieden zu bekämpfen.“